Drei Personen betrachten eine bunte Ausstellungswand.

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Tagung „Jugendfreie Zone? Jugendliche und kulturelle Bildung“

Bericht zur Tagung „Jugendfreie Zone? Jugendliche und kulturelle Bildung“ am 20./21. April 2012 in Ulm

Am Beginn des Vortrages „Der Museumsbesuch als bildende Erfahrung? Kulturelle Bildung und ihre Zugänge- und Aneignungsmöglichkeiten im Jugendalter“ von Dr. habil. Sabine Maschke und Stephan Kielblock M.A. standen die Fragen „Was ist Kultur?“ „Was ist Bildung?“ und „Was ist kulturelle Bildung?“.
Üblicherweise wird unterschieden zwischen Hochkultur und populärer Kultur. Dies ist jedoch eine künstliche Trennung. Jugendliche sehen kulturelle Angebote nicht unter diesen Definitionen, sie reagieren auf ein breitgefächertes, ästhetisches Angebot. Sie wünschen sich im Museum vor allem sinnliche Erfahrungen.
Andere Wirklichkeiten erfahren zu können setzt Offenheit und bestimmte Qualifikationen voraus. Eine kulturelle Bildungserfahrung ist nur möglich mit Vorwissen, durch Anknüpfen an schon Bekanntes. So werden Zugänge zu etwas Neuem möglich. Ein Museumsbesuch kann eine bereichernde Sinneserfahrung sein. Außerdem kann das Museum ein generationenübergreifender Ort sein. Bildung braucht Gelegenheiten, äußere Anstöße durch Familie, Schule, Peers. Kontrastierende Erfahrungen sind dabei wichtig. Im Museum werden die Grenzen zwischen dem Realen und der Fiktion oft aufgelöst.
Von, für und mit Jugendlichen gestalten macht dies möglich. Mehrschichtige Angebote und Zugänge garantieren die Bildungserfahrung. Die Zugänge sollen abwechslungsreich, kognitiv und körperlich sein.
Forschungsdesiderat: Verhalten bildungsferner Jugendlicher gegenüber Museumsangeboten.

Auf die Frage, was Jugendlichen den Zugang zu Museen oftmals blockiert, beschrieben die Vortragenden, dass Jugendliche in einer eigenen Welt leben. In der Weltaneignung und Selbstdarstellung haben sie einen eigenen Sprachcode und Habitus, der dem Code und Habitus in der Kulturwelt nicht entspricht.
Frau Maschke und Herr Kielblock stellten dann die Ergebnisse einer Befragung von Studentinnen und Studenten vor, die ihren Zugang zur Kultur und die Voraussetzungen im Elternhaus für Museumsbesuche untersuchte. Es wurde abgefragt, ob es vom Elternhaus initiierte Erfahrungen mit Museen gab, wie die Vorbeurteilung von Kunst durch das Elternhaus war (defensiv oder offensiv) und welche Wünsche Jugendliche bei einem Museumsbesuch haben. Es stellte sich heraus, dass interaktive, eigenaktive, kontrastierende Erfahrungen, kognitive und körperliche Zugänge zu Kunst und Kultur gewünscht werden.
Da sich Jugendliche in verschiedenen Lebenswelten bewegen (Elternhaus, Schule, Szenen) stellt sich die Frage nach den Überschneidungen mit der Lebenswelt Museum. Abschließend warfen die Referenten die Fragen auf, ob es Jugendmuseen oder Ausstellungen gibt, die mit Jugendlichen gestaltet werden. Der Vortrag von Prof. Dr. Franz-Josef Röll, „Wahrnehmungswandel durch neue Medien – eine Herausforderung?“ begann mit der Feststellung, dass wir bei der Arbeit mit Jugendlichen wie Ethnologen vorgehen müssen, die einen unbekannten Stamm untersuchen. Wir gehen davon aus, dass wir nichts über unsere Zielgruppe wissen und nur durch Beobachtung Kenntnisse sammeln können.

Denken, Handeln und Fühlen eines Menschen wird von inneren Bildern bestimmt. Die Frage ist, wie kann ich diese vorhandene Matrix ändern? Die Vermittler im Museum nehmen dabei von der Dominanz Abstand, sie dürfen sich nicht so fühlen, als ob sie ‚Gralshüter des Wissens‘ seien. Die Jugendlichen müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen, d.h. Vermittler fragen ‚Was bringen die Jugendlichen mit? Was können sie?“ Wenn wir sie mit unseren Angeboten berühren, können sich ihre inneren Bilder weiterentwickeln, modifizieren, neu kombinieren, mutieren. Prof. Röll stellte fest, dass Jugendliche sich in einer Phase befinden, in der die eigene Platzierung im sozialen Gefüge sehr wichtig ist. Dieses „Spacing“ bestimmt das Verhalten. Dabei werden alle Möglichkeiten der neuen Medien genutzt, oftmals parallel. Die Jugendlichen gehen mit einer wahren Bilderflut um, wollen alles gleichzeitig tun und haben fast schon Angst, etwas zu verpassen. Prof. Röll sprach in diesem Zusammenhang von einer „Hypermediakultur“ (assoziativ, nonlinear, rhizomartig, modular). In dieser Kultur bewegen sich die Jugendlichen aber durchaus pragmatisch und picken sich die Dinge heraus, die für ihr momentanes Interesse wichtig sind. Sie agieren als „Ego-Taktiker“.
Um den Kontakt zu der Altersgruppe zu bekommen, ist es unerlässlich, ihre inneren Bilder zu kennen, ihre Denkweise zu erfassen. Nur so kann ein Dialog aufgenommen werden. Eine bewährte Methode sei es, „unscharfe Fragen“ zu stellen. Die Antworten darauf zeigen das vorhandene Wissen der Jugendlichen.
Viele Jugendliche haben durch Umgang mit Technik Erfolgserlebnisse. Deshalb sind die neuen Medien so beliebt.
Die Vorstellung der Raumrealität hat sich mit der Zeit verändert, die heutige Lebenswelt wird segmentiert erfahren (Inselwelt). Die Identität wird durch soziale Handlungen gebildet. Raum wird hergestellt durch Erinnerungs- oder Vorstellungsprozesse. Im Mittelpunkt steht das handlungsaktive Tun = Tauschen.
Das Denken wird hypertextuell geleistet im Gegensatz zum bisherigen sequenziellen Denken. Jugendliche nehmen visuell präsentierte Informationen auf. Partizipation spielt dabei eine große Rolle (Wir sind das Netz).
Integration erfolgt über Konsumentscheidungen. Erfahrungen werden über verschiedene Ebenen gesammelt. Für Jugendliche sind demnach handlungsoffene, gestaltungsoffene Räume nötig, in denen es Wahlmöglichkeiten gibt. Die Disziplinlosigkeit des Amateurs eröffnet neue Verknüpfungsmöglichkeiten „Mash-up“.

Schüler im Museum sind häufig unterfordert. Wie können wir also dort Aufmerksamkeit auslösen? Durch Sprachwandel, durch Teaser- Kommunikation über Handys als Konvergenz-Medium. Wir fördern so eine kollektive Intelligenz. Die Personalisierung wird durch Austausch und Interaktivität erreicht. Durch Kontakte im Netz wird soziales Kapital erworben, man wird Teil des Netzes. Wichtig ist, was authentisch ist!

Downloads, Datenbanken, Facebook etc. machen Vernetzung und Austausch möglich. Schwerpunktmäßig verteilt sich die Nutzung so:

  • Wikis → Gymnasiasten
  • Blogs → Realschüler
  • Chats → Hauptschüler


Nicht der Inhalt ist entscheidend, sondern die Verteilermedien sind wichtig.
Beispiele:

  • Museum Steinau, Mobiltelefon als Museumsführer, Chopin in Warschau, Mischung von Museum und Stadt
  • Augmented reality
  • durch Quipe wird spontane Aufmerksamkeit geweckt.

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